Sanja Ivekovic, "Personal Cuts"

www.galerieimtaxispalais.at Galerie im Taxispalais Galerie des Landes Tirol

April 7 through May 20, 2001

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Sanja Ivekovic´ gehört zu den bedeutendsten Künstlerinnen Jugoslawiens bzw. Kroatiens. International zählt sie zu jenen Künstlerinnen, die seit den siebziger Jahren in den Bereichen Medienkunst und Performance ihre kritischen und künstlerisch innovativen Konzepte und Werke entwickelt haben, die heute für eine nachfolgende Generation zunehmend größere Bedeutung erhalten. Die durchgängige Präsenz von Ivekovic´ an Orten, Institutionen und Ausstellungen, die für diese Kunstrichtung die Wegmarken bilden, zeigt ihre internationale Bekanntheit und die Anerkennung, die sie immer schon genossen hat.

Die Ausstellung in der Galerie im Taxispalais ist jedoch ihre erste umfassende Personale, in der eine repräsentative Auswahl von ihren frühen Arbeiten bis zu den neuesten gezeigt wird. Die Ausstellung stellt einen kritischen Querschnitt durch ihr Werk vor: Frühe und heutige konzeptuelle Foto- und Textarbeiten, Installationen, eine große Auswahl an Videoarbeiten sowie Dokumentationsvideos von Performances.

Sanja Ivekovic´ geht es seit ihren Anfängen in den frühen siebziger Jahren um eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der Bilder und der Politik der Körper. Als strukturelle Bezugsfigur im weiten Feld der Repräsentation bringt die Künstlerin dabei ihre eigene Person ins Spiel, sei es mittels Fotografien aus ihrem "privaten" Album, sei es als reale Akteurin in einer performativen Handlung.

Ivekoviæ macht sichtbar, wie normierte, in den Medien (Werbung, Illustrierte, Zeitungen, Fernsehen) vorgefundene und über diese vermittelte Bild- und auch Sprachcodes in die kollektiven gesellschaftlichen Verhaltens-codes Eingang gefunden haben. Die Arbeit "Double Life" (1975) z.B. besteht aus 62 Bildpaaren, wobei Ivekovic´ jeweils einem der Werbung entnommenen Bild ein Privatfoto gegenüberstellt, das - ohne in Bezug auf das Werbefoto inszeniert worden zu sein - in den Körperposen eine Parallelität zu ersterem aufweist. Ivekovic´ nimmt in dieser Kombination bewusst-unbewusster Inszenierungen das Konzept von Cindy Sherman in bedeutenden Aspekten gleichsam vorweg. Bei "Tragödie einer Venus" (1975) arbeitet die Künstlerin nach demselben Prinzip, diesmal ist ihre Bezugsfigur Marilyn Monroe.

Ivekovic´ reflektiert in ihren frühen Arbeiten die spezifische politisch-gesellschaftliche Situation des ehemaligen Jugoslawien, eine "extreme Kombination von Konsum-cum-Kommunismus" (Bojana Pejic´), in dem eine traditionell patriarchalische Ordnung mit differenzierten Einbrüchen zu rechnen hatte. "Personal Cuts", der Titel einer Videoarbeit von 1982, wurde zum Titel der Ausstellung im Taxispalais gewählt, weil er treffend das Konzept und die Methode von Ivekovic´ repräsentiert. In dieser dokumentierten Performance macht sich die Künstlerin wieder zur Protagonistin und tritt ihrem Publikum mit über den Kopf gezogener schwarzer Strumpfmaske gegenüber, um dann mit einer großen Schere ein Loch nach dem anderen in die Maske zu schneiden, welches für einen kurzen Moment jeweils einen Ausschnitt ihres Gesichts freigibt, an dessen Stelle jedoch unmittelbar danach eine kurze Fernsehsequenz erscheint, die die Leerstelle gleichsam ausfüllt. Das Material für diese Sequenzen entnahm Ivekoviæ einer staatlichen Fernsehsendung mit dem Titel "Die Geschichte Jugoslawiens", die aus im Laufe von zwanzig Jahren entstandenen dokumentarischen Aufnahmen ein Bild der Sozialistischen Republik lieferte.

Ivekovic´ setzt ihre Schnitte gezielt an bestimmten Stellen, um das Verhältnis zwischen Individuum und den Medien, in weiterem Sinne zwischen der gesellschaftlichen und der politischen Macht zu untersuchen. Dabei nimmt sie aber nicht eine scheinbare "Authentizität" für sich in Anspruch, sondern arbeitet immer wieder mit dem vorgefundenen Klischee: Bei "Personal Cuts" erweisen sich die offiziellen, politische Identität stiftenden, staatlich produzierten Bilder der Vergangenheit dann als Teil der Geschichte der Künstlerin selbst. Sanja Ivekovic´ hat im Laufe der achtziger- und neunziger Jahre ihre Arbeiten noch stärker politisch akzentuiert, im Sinne einer Konfrontation von öffentlich politischer Inszenierung (realisiert vor allem durch die Medien) mit dem sogenannten Privaten. Als Aktivistin und Organisatorin hat sie auch wichtige Projekte begründet und an ihnen mitgearbeitet; Projekte, in denen es zum einen um Kunst, Kultur und Theorie geht, zum anderen auch um den persönlichen Einsatz für Menschen, insbesondere für von kriegerischer als auch privater Gewalt betroffene Frauen.

Sanja Ivekovic´ war u.a. Teilnehmerin an der Biennale Sao Paulo 1981, an der Documenta 8, 1987, an der Manifesta 2, Luxemburg, 1998, und an dem Ausstellungsprojekt After The Wall. Art and Culture in post-Communist Europe, (Stockholm, Budapest, Berlin, 1999-2000)

Sanja Ivekovic´ ist 1949 in Zagreb geboren, wo sie auch heute lebt.

Katalog: Zur Ausstellung produziert die Galerie im Taxispalais einen Katalog. Das zweisprachige (dt./engl.) Buch enthält Texte von Bojana Pejic´ (Kuratorin von "After the Wall", Berlin), Nataša Ilic´, (Kunsthistorikerin und Theoretikerin, Zagreb), und Silvia Eiblmayr. Umfang: ca. 90 Seiten, ca. 50 F, 50 s/w Abbildungen; grafische Gestaltung: Dorit Margreiter. Verkaufspreis in der Galerie: ATS 170,- / EURO 12,50,-. Das Buch erscheint im triton Verlag, Wien. Unterstützt von Kulturkontakt Austria und Blumenhaus Innsbruck

Symposion "Zur Politik der Körper und Bilder" Samstag, 7. April, 16 - 20 Uhr Referentinnen: Bojana Pejic´ (Kunsthistorikerin und Kuratorin, Berlin), Nataša Ilic´ (Kunsthistorikerin, Zagreb), Sanja Ivekovic´ (Künstlerin, Zagreb), Žarana Papic´s (Soziologin, Belgrad), Annemarie Türk (KulturKontakt Austria, Wien), Katy Deepwell (Herausgeberin der Zeitschrift "n.paradoxa", London) Publikumsdiskussion

fig.: "Instructions Nr. 1"