Yayoi Kusama
8 February - 28 April, 2002

KUNSTHALLE wien

"Leiden(schaften) sind machtvoller als der Tod"
Yayoi Kusama

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fig.: Yayoi Kusama, The Peep Show: Endless Love Show, Castellane Gallery, New York, 1966, Foto: Hal Reiff, Courtesy Ota Fine Arts, Tokyo

Mit ihren obsessiven Objekten, Installationen und Environments sorgt Yayoi Kusama - eine der vielseitigsten und international erfolgreichsten zeitgenössischen Künstlerinnen Japans - seit den sechziger Jahren für Furore. Das Kusama-Universum besteht aus Punkten und unendlichen Netzstrukturen, die von Aquarellen, Zeichnungen und Malereien auf Objekte und ganze Räume überschwappen. Im Umfeld von Pop Art, Minimalismus und Abstraktem Expressionismus entwickelt Kusama ihr stark von politischen, feministischen Anliegen und mysthischen Vorstellungen geprägtes künstlerisches Werk, das sie selbst als "obsessional art" bezeichnet.
Die Kunsthalle Wien zeigt nun mit neuen Rauminstallationen die erste große Personale der auch als "Polka-Dot-Princess" bekanntgewordenen Künstlerin in Mitteleuropa.

Nach dem Studium der klassischen japanischen Nihonga-Malerei entflieht Yayoi Kusama (geb. 1929 in Japan) 1958 der Enge ihres Elternhauses und der japanischen Gesellschaft nach New York und findet dort die Freiheit, ihre künstlerische Arbeit weiterzuverfolgen.
Ausgehend von der Malerei erarbeitet Kusama in ihrem Werk Ideen wie die Aufhebung der Trennung von Kunstwerk, KünstlerIn und Leben, entwickelt aus dem Prinzip des seriellen All-over die Konzeption des Environments und formuliert Ansätze, die später von feministischen Positionen wieder aufgegriffen werden.
Unendliche Netzstrukturen, Punkte und Tupfen lassen bereits in frühen Malereien und Zeichnungen ein sich ausweitendes und pulsierendes, visuelles Universum entstehen, dessen Ursprung Kusama selbst in Visionen und Halluzinationen ihrer Kindheit sieht.
Ihre leidenschaftliche Ausdruckskraft sprengt schnell den Rahmen der Malerei und die charakteristischen "Polka Dots" und "Infinity Nets" ihrer Vorstellungswelt überwuchern als phallische Auswüchse, Nudeln oder einfache Punkte Objekte, Möbel und schließlich ganze Räume. So entstehen Mitte der sechziger Jahre erste Environments, in denen Kusama mittels repetitiver Muster, serieller Strukturen, unzähliger Punkte und vielfältigster Materialien die Illusion der Auslöschung von Objekten, Räumen und Menschen verfolgt.
Die Idee der "Self-Obliteration" ist auch in den als Body- und Love-Festivals angekündigten Nackt-Performances zentral, die Kusama seit Mitte der sechziger Jahre zumeist an öffentlichen Plätzen New Yorks veranstaltet. Diese Aktionen reagieren auf politisch virulente Themen der Zeit wie die Nixon-Affäre und den Vietnamkrieg oder verweisen auf kulturpolitische Entwicklungen wie die zunehmende Kommerzialisierung des Kunstmarktes. So intervenierte Kusama auf der Venedig Biennale von 1966 gegen die etablierten Konventionen der Kunstwelt, in dem sie in einer spontanen Aktion die einzelnen Kugeln ihrer Außeninstallation Narcissus Garden zum Preis von 2 Dollar an die Besucher verkaufte.

In den 60er Jahren werden Kusamas Arbeiten in Amerika im Kontext von Pop Art, Minimal Art und Abstraktem Expressionismus gelesen. Ihre "Infinity Nets", Malereien ohne Komposition mit unendlichen Netzstrukturen, vereinen auf den ersten Blick die malerische Auseinandersetzung des Abstrakten Expressionismus mit der reduzierten Ästhetik der Minimal Art. Ihre Collagen und Möbelobjekte hingegen, die serielle Prinzipien auf der Grundlage von Alltagsgegenständen verwenden, wurden in die Nähe von Arbeiten der Pop-Artisten wie Warhol, Rosenquist oder Oldenburg gestellt. Kusama kommentiert jedoch die Massenkultur nicht. Ihre Objekte haben im Gegensatz zu industriellen Materialien und Fertigungsweisen der Minimal Art bewußt organische Formen und tragen den Charakter des Handgemachten. Und während Zero und andere Gruppen der "Neuen Tendenzen" in Europa, mit denen Kusama in den 60er Jahren in Italien, Deutschland und den Niederlanden ausstellt, das Künstlersubjekt in den Hintergrund treten lassen und Untersuchungen des Materials, der Farbe, des Lichts und der Bewegung in den Vordergrund stellen, ist bei Kusama ihre Künstlerpersönlichkeit mit all ihren Gegensätzen in jede Arbeit eingeschrieben und die Selbstinszenierung Bestandteil des Werkes.

1974 kehrt Kusama nach Japan zurück und schreibt dort autobiografische Erzählungen und Gedichte über die Erfahrungen und Erlebnisse ihrer New Yorker Zeit, die von einer wachsenden japanischen Fangemeinde gelesen und mit Literaturpreisen ausgezeichnet werden. Erst Ende der achtziger Jahre wird ihre Bedeutung als bildende Künstlerin für nachfolgende Künstlergenerationen und für die Kunstgeschichte wiederentdeckt und in zahlreichen Ausstellungen gewürdigt. 1993 gestaltet Kusama als erste Künstlerin eine Einzelausstellung im japanischen Pavillon auf der Biennale in Venedig.

Schwerpunkt der Ausstellung in Wien bilden neue Rauminstallationen, in denen im zugleich spielerischen und obsessiven Umgang mit sich wiederholenden Strukturen und Spiegelungen die von Kusama angestrebten Auflösungsprozesse von Objekt und Umraum noch gesteigert werden. Eingebettet in ein umfassendes Architekturkonzept des Architektenteams Pauhof, welches die Ideen der Spiegelung und Wiederholung zitiert, werden Kusamas unendliche Universen in den Environments spürbar.
Neben Videos, Diaprojektionen und Kleiderentwürfen sind mit Narcissus Garden und Infinity Mirror Room - Love forever auch Installationen aus den sechziger Jahren vertreten.

Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Centre d'art contemporain Le Consortium, Dijon, und dem Kusama Studio, Tokio, entstanden.
Kuratorin in Wien: Sabine Folie
Ausstellungsarchitektur: Pauhof Architekten (Wien, Berlin)

Wir danken den Sponsoren ANA, All Nippon Airways und der Japanischen Botschaft für ihre Unterstützung sowie Prodomo für die Leihgabe der Möbel für die Installation "I'm here but nothing".

Ausstellungskatalog:
Kunsthalle Wien (Hrsg.), Yayoi Kusama, mit Texten von Xavier Douroux, Sabine Folie, Franck Gautherot, Michael Glasmeier, Félix Guattari, Laura Hoptman, Seung-duk Kim, Gerald Matt und Vincent Pécoil
deutsch, gebunden, ca. 336 S., mit umfangreichen Dokumentationsteil/Abbildungen
ISBN 3-85247-034-X, € 29,-; Wien 2002