Produkt Muttertag
Zur rituellen Inszenierung eines Festtages

6. April bis 4. Juni 2001

5. April 2001, 18 Uhr Performance von Berit Schweska
www.volkskundemuseum.at

 

more culture >>>

Der Anfang 1924 in Österreich

1923/24 ist es auch in Österreich so weit. Die Geschichte des Muttertags beginnt, setzt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit fort und rast der Bezeichnung "Tradition" entgegen. 10 Jahre später erreicht diese die Grazer Tagespost, die den Ursprung des Muttertages bereits ins Dunkel der Geschichte verlegt: "Wir wissen heute nimmer, woher er gekommen, wer ihn erfunden hat; er war da, hat durch seine wunderbare Idee groß und klein in seinen Bann gezogen...."

Vorerst aber muß in einem weiteren Land Europas die Bevölkerung in die Praktiken und Denkmuster des Muttertages eingeführt werden - wer wen warum wie und wann feiern soll, muß erst vermittelt und gelehrt werden. Viele Muttertage fielen von der Erde in den Himmel, aber nie umgekehrt. Der Akteure und Promotoren, die sich dieser Aufgabe annahmen, gab es viele und ihre Motive und Interessen lassen sich in ein vielgliedriges Fach der Begriffe einordnen. Sie sind religiöser, geschäftlicher, persönlich-sentimentaler, sozial-, familien-, geschlechts-, manchmal staats- und immer kulturpolitischer Natur.

Viele der vielen, insbesondere katholischen, österreichischen Vereine, die Pfarren, die Schulen, parteipolitische Organisationen, DichterInnen, Floristen und andere Gewerbetreibende setzten sie um, propagierten mehr öffentlich oder mehr im Hintergrund in Tages- und Wandzeitungen, mittels Broschüren und Flugblättern, Reden und Predigten den Muttertag, inaugurierten die Tradition, gaben Anleitungen und organisieren Feiern. Schon im ersten Jahr kann die Reichspost freudestrahlenden Wortes verkünden: "Der Gedanke eines Weihetages für die Mutter hat Eingang gefunden im katholischem Volk, ja man kann sagen überhaupt beim bodenständigen Volk Österreichs. Die Herzen sind entzündet und die Flamme der Liebe wird hell aufleuchten am Tag der Mutter. Bis in das entlegene Gebirgstal Tirols und vor dem Arlberg drang der Ruf und fand Widerhall. Alle Bundesländer begehen den Weihetag. Wie Lauffeuer gings durch die Länder. Die Bischöfe verkündeten die Mutterehrung, Dekanat und Pfarre folgten dem geistlichen Oberhirten.Tausende Blätter flatterten hinaus aus dem Herzen des Reiches und tragen die Worte, zart gebunden in Versen, zu Mutters Lob und Ehre und tausend Hände regen sich in emsiger Sorge und Freude. Lehrer und Priester leiten die Vorbereitung und die katholischen Vereine, Kongregationen usw. wetteifern an regem Eifer, das Pfarrgemeindefest zu einer würdigen Mutterverehrung zu gestalten."

Marienverehrung

In unterschiedlichsten Konstellationen kristallisieren sich besonders in der 1.Republik formale und inhaltliche Parallelen zwischen Marienverehrung und Mutterehrung heraus. So meinte Ignaz Seipel in einer Muttertagsrede 1926: "Es sieht zwar wie etwas Neues aus, daß ein eigener, allgemein begangener Festtag der Mutter eingeführt wird; für den gläubigen Katholiken ist aber ein solches Fest der Mutter eigentlich nichts Neues, weil für ihn eigentlich schon immer die Marienfeste zugleich Muttertage waren. Gewiß sind an diesen Festtagen in vergangenen Zeiten alle guten Söhne und Töchter veranlaßt worden, mit besonderer Liebe und Rücksicht an die eigene Mutter zu denken und ihr Leben so zu gestalten, daß sie einer guten und würdigen Mutter Freude machen können. Diesen Geist den unsere Religion durch alle Jahrhunderte von allen Christen gepflegt wissen wollte, wollen wir heute in uns erneuern."

Auch Ausgehend von der Mutter-Ehrung mit Blumen am Muttertag, wird indirekt die Anstrengung unternommen eine Traditionslinie zur Marienverehrung zu konstruieren. Es gibt im Zusammenhang mit der Marienverehrung verschiedenste Blumen und Pflanzen, die symbolhaft, zum Teil sogar namentlich Maria zugeordnet sind, und sie als besonders volkstümliche Heilige bezeugen (z.B. Marienblume, Mariendistel, Mariengras, Marienmantel). So war es ein Leichtes, vom traditionellen floralen Altarschmuck der Mutter Gottes zur Ehrung der profanen Mutter mit einem Blumenstrauß überzuleiten. Durch sakrale Stilisierung der Mutter wird ihre Aufopferung sowohl für die Kinder und Familie als auch die "Volksgemeinschaft" legitimiert.

Dieser gesellschaftlich erwartete Einsatz wurde damals in keiner Weise abgegolten. Da Leistung und Gegenleistung aber immer direkt aufeinander bezogen sind, wird Mutterleistung religiös stilisiert als Opfer wahrgenommen und definiert. Die Mutter wird quasi zur Selbstaufgabe gezwungen, opfert sich, und von dem Opfer erwartet man eine gesamtgesellschaftliche Erlösung. Auch gegenwärtig sind insbesondere in kirchlich- konservativen Kreisen verstärkt Tendenzen festzustellen, in denen explizit der Frau, in Abgrenzung zum Mann, die große soziale Kompetenz "zugeteilt" wird. So kann ihr auf einem "Weg sozial- religiöser Gesichtspunkte" argumentativ die Rolle der sich für die Familie aufopfernden Fürsorgerin zugeschrieben werden, ohne jedoch dem Wahn zu erliegen, sie als Mutter sakral zu überhöhen. Dies ändert allerdings nichts an der Tatsache, daß auch heute Kindererziehung, "nur" Hausfrau und Mutter sein, wertentsprechend, vor allem finanziell, nur unangemessen honoriert wird.